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Türkei 2003 - eine Rundreise

Unser Reiseleiter Başbuğ hatte eine nette Definition des Begriffs Rundreise parat, man fährt eigentlich immer nur geradeaus, dennoch kommt man letztlich wieder zum Ausgangspunkt. Und genauso ging es uns. Von Ankara durch das anatolische Hochland und wieder zurück führte die Tour in diesem Jahr. Erste Planungen, Anfragen, Werbebriefe und Telefonate liefen schon im Sommer 2002 an, die Feinplanung folgte dann in diesem Jahr. Schwierig war die Preisgestaltung. Von den ersten Interessenten fielen durch Krankheit leider sieben potentielle Mitfahrer aus, so dass ich bis kurz vor Beginn der Fahrt um die Durchführung bangen musste – ich hätte mich finanziell böse in die Nesseln setzen können. Aber es hat letztlich geklappt und am 11. April stiegen dreizehn Mitfahrer in Hannover ins Flugzeug, der vierzehnte jettete sicher deutlich bequemer per Lufthansa nach Ankara.

Während der Reise zeigte sich, dass die Gruppe insgesamt außerordentlich glücklich zusammengesetzt war. Erika und Rudolf - Troll – Lenz, Irmgard und Dieter - Looping - Lindemann von der hannoverschen Verbindung, unsere guten Freunde Monika und Eberhard Viebahn, Frau Neumann aus Clausthal und meine ehemalige Kollegin Svea von Zitzewitz, die Ruderkameraden Frank Wagner und Heidi Siedentop mit ihren Bekannten Silke Kobbe und Birgit Merschendorf, schließlich Inge und ich. Unser Reiseleiter lobte uns sehr, andere Gruppen hätten schon häufig nach nur 10 % der uns angebotenen Informationen abgeschaltet – wir hätten ihn sogar noch reichlich mit weiteren Fragen gelöchert.

Im Hotel Sergah in Ankara verbrachten wir den ersten Abend in der Lobby, und die Teilnehmer beschnupperten sich gegenseitig bei Rakı, Bier und Tee. Es zeigte sich gleich, dass es in den kommenden Tagen harmonisch zugehen würde.

Gleich gegenüber des Hotels im Stadtteil Ulus begann das Besichtigungsprogramm am nächsten Morgen: die römischen Thermen. Die ausgedehnte Anlage mit Freianlagen zur Körperertüchtigung, die „frigidaria„, die „tepidaria„ und das „caldarium„, die mit unterschiedlich temperiertem Wasser ausgestatteten Badebereiche, zeigten uns mit welchem Luxus oder auch Standard die Römer ihrer Hygiene nachgingen (erbaut 212 – 217 n.Chr., ca. 300 Jahre genutzt).

Der kleine Isuzu-Bus musste dann mächtig rackern, um uns zum Museum der Anatolischen Kulturen, oder wie es auch genannt wird, dem Hethiter-Museum, auf der steilen Straße hinauf zu transportieren. In dem ausgezeichnet restaurierten alten Basar, dem Bedesten, wurden wir ausführlich in die Geschichte der menschlichen Entwicklung im anatolischen Siedlungsraum eingeweiht. Obwohl ich nun schon zum dritten Mal dieses Museum besuchte, wurden mir durch Başbuğ weitere wesentliche Eindrücke und Zusammenhänge vermittelt. Fasziniert bin ich immer wieder von den bronzezeitlichen Hirschen und Sonnenscheiben, die in Alaca Höyük gefunden worden sind. Aber auch die vielen Vasen in ihrer unterschiedlichen Ausschmückung oder Beschriftung, die eindrucksvollen Stiere und die ersten schriftlichen Zeugnisse der hethitischen Kultur sind beeindruckend. Als Einstimmung auf die spätere Besichtigung der Fundorte bietet sich das Museum geradezu an.

Zu Fuß stiegen wir danach zur ausgedehnten Burganlage, der Kale (Zitadelle) auf. Sicher ist die Anlage viel älter als die noch stehenden Mauern aus dem 9. Jahrhundert. Schließlich liegt das heutige Ankara an einer wichtigen Durchgangsstraße Kleinasiens, die von vielen Völkern auf ihren Kriegszügen genutzt wurde. Einen deutlichen Hinweis darauf findet man heute noch in den vielen erheblich älteren Bruchstücken, die beim Mauer- und Häuserbau verwendet worden sind. Fast rundherum blickt man von oben auf die vielen Elendsviertel der Stadt, die Gecekondus. Die Landflucht in der Türkei führt zu für uns kaum nachvollziehbaren Wohn- und Lebensverhältnissen. Aber die Menschen scheinen sich mit ihrem Schicksal zu arrangieren.

Mitten auf der Straße konnten wir beobachten, wie hier die Teppichreinigung vorgenommen wird: der Teppich wird ausgerollt, mit Seifenwasser gründlich abgeschrubbt und mit reichlich Wasser abgespült. In der Sonne lässt man dann das kostbare Stück trocknen. Ob sich dieses Verfahren auch bei uns durchsetzen wird?

Nach der Mittagspause auf der Terrasse mit herrlichem Blick über Ankara stürzten wir uns in das pulsierende Leben des Stadtteils Ulus, dem alten Stadtzentrum Ankaras. In der Moschee des Haci Bayram begegnete uns zum ersten Mal der Islam. Schuhe ausziehen, neue Gerüche, Kopftücher für unsere weiblichen Begleiterinnen, fremde Rituale, tiefe Gläubigkeit – eine für uns fremde Welt eröffnete sich da.

Gleich nebenan konnten wir kurz in den Augustus Tempel hineinschauen. Erbaut 25 – 20 v. Chr. kann man hier das einmalige Zeugnis der „RES GESTAE DIVI AUGUSTI„, die Taten des vergöttlichten Augustus an der Tempelwand entziffern. Erwähnt wird auch die Volkszählung, die von Kaiser Augustus im Jahr 8 v. Chr. ausging und im Lukas-Evangelium erwähnt wird.

Nach wenigen Schritten standen wir vor der Säule des Kaisers Julian Apostata, die ihm zu Ehren im Jahr 362 errichtet wurde. Nachdem Paulus die Bewohner als ungetreue Christen verurteilt hatte, belebte Julian die alten heidnischen Bräuche – sehr zur Freude der damaligen Bewohner und Herrschenden. Julian war wohl verantwortlich dafür, dass diese eigentlich christliche Gemeinde wieder in heidnische Bräuche zurückfiel und damit zu den sieben apokalyptischen Gemeinden gehörte. Im Buch über die Türkei von John Freely heißt es dazu: "Von neuem lässt man Blut über die verlassenen Altäre fließen und ehrt die Götter mit Zeremonien, an die sich die Alten kaum erinnern ... und die Römer können wieder Großes in Angriff nehmen." Heute nisten Störche auf der Spitze und verdeutlichen, wie nebensächlich für sie der historische Wert der Säule ist.

Nach diesem Ausflug in die jüngere Geschichte fuhren wir dann mit dem Bus zum Nationalheiligtum der modernen Türkei, dem Anit Kabir. Das Mausoleum Mustafa Kemal Atatürks, des Vaters der modernen Türkei, ist nicht nur die letzte Ruhestätte des Gründers der heutigen Türkei, es beherbergt auch ein Museum mit vielen Erinnerungsstücken an Atatürk und darüber hinaus viele Hinweise auf das Werden und Wachsen der jungen Republik. Die imposante Gesamtanlage lässt sicher den Eindruck anderer Monumentalbauten aufkommen, die zur Verherrlichung zweifelhafter politischer oder militärischer Größen erbaut worden sind – in der Türkei jedoch wird Atatürk ehrlich verehrt. Täglich strömen verschiedenartigste Gruppen, von Grundschülern bis zu Veteranen und ausländischen Delegationen, hierher, um Atatürk ihre Referenz zu erweisen. Der äußere Rahmen wird unterstützt durch die Wachmannschaften in Gardeuniformen und die sehenswerten Wachwechsel.

Dann war unser offizielles Tagesprogramm beendet. Vom Hotel aus schwärmten aber bald alle wieder in die benachbarten Einkaufsstraßen aus. Neben dem großen Reiterstandbild Atatürks, bei dem auch die Frauen durch die Kanonenkugel schleppende Helferin ausdrücklich geehrt werden, liegen das moderne und alte Geschäftsleben dicht nebeneinander. Ein Einkaufszentrum, das man auch in Hannover finden könnte, mit eleganten Kleidern und Anzügen, daneben westeuropäisch gestylte Restaurants, aber zwei Straßen weiter beginnt ein orientalischer Basar. Gemüse, Fisch, Gewürze, Aquarienfische, Schafköpfe und -gebein zum Auskochen, Wasch - und Reinigungsmittel, Geflügel, Blumen- und Gemüsesamen, Textilien, Kanarien- und andere Ziervögel, Obst, türkische Süßigkeiten, über allem das Geschrei der Verkäufer und auch der ständig wechselnde Geruch, mal angenehm, mal beißend, mal süßlich, ab und zu für unsere Nasen auch unangenehm. Zwar hielt ich meine Hand immer in der Tasche, um die Geldbörse zu sichern, doch diese Vorsicht war wohl übertrieben. Durch den dichten und für uns recht unkontrollierten Verkehr retteten wir uns schließlich ins Hotel zurück.

Hier schon einmal ein Wort zur Verpflegung, um Wiederholungen zu vermeiden. Wir wurden immer gut und ausreichend versorgt. Erfreulicherweise wechselten die Gerichte in den verschiedenen Hotels, so dass wir ständig andere Gerichte und auch Suppen kosten konnten. Auch mittags wurden wir in den meist schlichteren Gaststätten außerordentlich zuvorkommend und wohlschmeckend bedient. Obst und Salat gab es reichlich und selbstverständlich auch die köstlichen türkischen Süßspeisen, diese allerdings wurden von einigen Mitreisenden, aus mit unverständlichen Gründen, verschmäht.

Am Sonntag durften wir das erste Mal unsere Koffer packen, durch das noch nicht erwachte Ankara fuhren in Richtung Nordosten. Kilometerweit begleitete uns die moderne und auch die schlichte Wohnbebauung, immer wieder unterbrochen durch die halbfertigen Häuser, die entweder auf ihren Weiterbau warteten oder auf Grund von Fehlspekulationen als Ruinen einer ungewissen Zukunft entgegen sahen. Unser Ziel war Boğazkale, ein unscheinbares Dorf. Hier wurden erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts erste Untersuchungen durchgeführt, die dann jedoch schnell zu der Erkenntnis verhalfen, dass hier die Hethiter, die schon im alten Testament erwähnt werden, ihre Hauptstadt hatten: Hattuşa. Etwas abseits gelegen besuchten wir zuerst das Heiligtum aus der Glanzzeit des hethitischen Großreichs: Yazılıkaya. Nun konnten wir vor Ort sehen, was wir am Vortag im Museum als Abbildungen schon bewundert hatten, Götterprozessionen, den Wettergott, einen Großkönig, die Zwölf-Götter-Gruppe und weitere Details, die uns vom Reiseleiter aufgezeigt wurden.

Durch das ausgedehnte Gebiet der ehemaligen Hauptstadt des Hethiterreiches konnten wir mit dem Bus fahren. Löwentor, Sphingentor, Potene, Nişantepe mit der in die Felswand gemeißelten Hieroglyphen-Inschrift, die Königsburg und letztlich das ausgedehnte Tempelgelände in der Unterstadt – alle Informationen darüber verdanken wir den zahlreichen Keilschrifttafeln, die hier gefunden wurden. Fast 500 Jahre herrschten die Hethiter von hier aus; teilweise von der Ägäis bis über den Tigris hinaus und vom nördlichen Anatolien bis nach Palästina. Eindrucksvoll der Friedensvertrag zwischen den Hethitern und den Ägyptern nach der Schlacht von Kadesch (1274 v. Chr.), der auf Tontafeln festgehalten wurde und damit den ältesten schriftliche zwischen zwei Staaten geschlossene Vertrag darstellt.

Durch das Gebirge schnaufte der Bus dann nach Yosgat. Im Ort wurden wir per Handy ins Hotel gelotst. Die Stadt liegt in einem langgestreckten Talkesel, das Hotel thront inmitten eines bewaldeten Naturschutzgebietes oben auf dem Hügel. Wir waren die einzigen Gäste in dem riesigen Bau, der von der Kaufhauskette Yimpas erst vor wenigen Jahren errichtet worden ist. Im großen Speisesaal kamen wir uns recht verlassen vor, nach dem Essen wurde es in der deutlich kleineren Lobby bei Rakı, Wein und Bier erheblich gemütlicher. Inge und ich genossen die herrliche Ruhe in der Höhe, andere Mitreisende, deren Fenster zur anderen Seite gelegen waren, wurden schon um 4.30 Uhr durch anhaltendes Kläffen zweier Hunde geweckt. Beim Frühstück leuchtete an Inges Frühstückstisch eine Geburtstagskerze und bei der Weiterfahrt intonierte Frank ein vielstimmiges Geburtstagsständchen.

Als nächste Station war Kayseri geplant, allerdings auf Vorschlag des Organisators in der Türkei nicht mehr für eine Übernachtung vorgesehen. Wir hatten demnach nur ein Kurzprogramm. Gegenüber der mächtigen Festungsanlage (Fertigstellung unter Kaikobad I 1226, restauriert unter Mehmet II 1466) besuchten wir zuerst die früheste Moscheeanlage der Seldschuken in Anatolien. Gestiftet von der Ehefrau Kaikobads, der Griechin Mahperi Hvant Hatun, wirkt sie fast wie eine Festung, die Fenster sind klein, die Pfeiler wuchtig, der Innenraum bleibt dunkel. Neben dem Ausgang befindet sich die Grabtürbe der Stifterin, die hier in einem Marmorsarg bestattet liegt.

Die Mittagspause verbrachten wir in einem türkischen Schnellrestaurant. Zwar suchten wir uns alle unterschiedliche Speisen und Beilagen aus, die auch brav notiert wurden – angeschleppt wurden allerdings fast identische Zusammenstellungen. Es hat sicher keiner von uns das zu essen bekommen, was er sich vorher ausgesucht hatte!

Anschließend schlenderten wir noch einzeln durch die Burganlage, in der sich ein Basar befindet, im anschließenden Viertel liegt der gedeckte Basar mit unendlichen Gängen und auch völlig ohne touristische Angebote. Wir bewunderten die Goldschmiedegasse mit ihrem reichhaltigen Angebot, erstaunlich dass in vielen der Miniläden Kunden zu finden waren, die das Gold nicht nur bewunderten. Für die türkischen Frauen stellt der Besitz von Gold eine gewisse Form der Versicherung dar, die Armreifen werden daher auch eher nach Gewicht als nach ihrer kunstvollen Bearbeitung gekauft.

Den Abschluss bildete das „kreisende Mausoleum„, der Döner Kümbed, das Grabmal einer seldschukischen Prinzessin. Auf den zwölfseitigen Bau ist ein kegelförmiges Dach gesetzt worden, bemerkenswert aber auch die figürlichen Darstellungen: Palmen, Löwen und der doppelköpfige Adler, dem Wappentier der Seldschuken und heute immer noch das von Konya.

Bevor wir dann in Avanos ins Hotel fuhren, konnten wir schon einen ersten Blick auf die bizarren Formen der kappadokischen Landschaft werfen. Bei heftigem Wind krabbelten wir im roten Tal zwischen den merkwürdig gerundeten Kegeln auf und ab, fotografierten das steinerne Kamel und fuhren dann doch ungeduldig ins Hotel, in dem wir zwei Nächte verbringen durften.

Die beiden großen Vulkane Erciyes Dağı und Hasan Dağı haben vor gut 3 Millionen Jahren große Mengen an Asche und Lava ausgespieen, die sich zu der mächtigen Tuffschicht Kappadokiens verdichtet haben. Dieses weiche Gestein wurde nun im Laufe der Zeit von Wind und Wasser zu den seltsamsten Formen geschmirgelt. Auch der Mensch nutzte das leicht zu bearbeitende Gestein und grub Wohnungen, Vorratsräume, Klöster und Kirchen, ja ganze Städte in dieses Material. Wir besuchten die nicht ganz so ausgedehnte unterirdische Stadt Özkonak, die gegenüber Dirinkuyu nur wenige Stockwerke aufweist, in ihrer raffinierten Anlage als Zufluchtsstätte aber ähnliche Merkmale aufweist: Lagerräume für Vorräte und sogar Vieh, Wohnräume, Luft- und Brunnenschächte, sogar Kanäle für Abwasser und auch die sinnvoll erdachten Verschlüsse der Zugänge durch leicht zu bewegende Mühlräder. Wir krochen durch die engen und verwinkelten Gänge und gelangten tatsächlich nach einiger Zeit sogar wohlbehalten aus dem Labyrinth wieder ans Tageslicht. Am Rande des kleinen Parkplatzes wurden wir von den Verkäufern der umliegenden Stände herzlich begrüßt – auch hier wurde wieder manche Million in Schals, Decken und Andenken umgesetzt. Am Abend durfte Inge dann eines dieser erstandenen Geschenke in Empfang nehmen. Von den Verbindungsbrüdern wurde ihr eine handgearbeitete Tischdecke überreicht als Dank u.a. für die wunderschöne Fahrt. Auch ich habe mich sehr darüber gefreut, blieb mir doch auf diesem Weg der Anblick von Kamelen erspart (nämlich einer Decke, die Inge eigentlich kaufen wollte).

Ein weiterer Höhepunkte war der Besuch der Felsenkirchen von Göreme, inzwischen zum Weltkulturerbe ernannt. Fast alle Höhlen sind mit Fresken aus der Zeit zwischen dem 8. und 12. Jahrhundert bemalt. Leider sind die meisten Malereien dem Islam zum Opfer gefallen, denn nach der Eroberung dieses Gebietes durch die Turkvölker wurden die menschlichen Darstellungen meist zerstört.

Die Mittagspause verbrachten wir in einer Teppichknüpferei in Avanos. Zusätzlich zu dem obligatorischen Tee und dem Rakı hatte unser Başbuğ gefüllte Teigfladen bestellt, die recht lecker schmeckten. Die dabei ablaufende Demonstration war, ähnlich wie schon vor drei Jahren, gekonnt zelebriert, den Abschluss bildete auch hier ein fliegender Teppich und die kostbarsten Seidenteppiche lagen ganz oben auf dem Stapel. Obwohl vor dem Besuch eigentlich klar war, dass keiner etwas kaufen wollte, blieben doch etliche Euro in der Türkei und einige Teppiche wechselten den Besitzer.

Den Abschluss des Tages bildeten zwei weitere Standorte in der kappadoklischen Mondlandschaft. Trotz des verhangenen Himmels wurden noch viele eindrucksvolle Blicke auf die Filme gebannt – z.T. waren es aber auch schon Chip-Karten – bevor wir ins Hotel zurückfuhren. Eine leichte Verzögerung bereitete jedoch noch der Besuch einiger Damen in einem Verkaufsstand mit wieder einmal wunderschönen Seidentüchern. An denen konnten sie ohne intensive Begutachtung, Beratschlagung und letztlich auch Zücken der Millionen nicht vorbeigehen. Wer unsere Damen, von jung bis alt (besser: von jung bis etwas älter), im täglich wechselnden Schmuck der Kopftücher genauer gewürdigt hat, wird vermuten, dass es in der Türkei zur Zeit kaum noch kleidsame Seidentücher zu erwerben gibt.

Am Mittwoch warfen wir bei der Weiterfahrt noch einen Blick auf Uçhisar, ein Kamel diente als fotogener Vordergrund. Die in den hoch aufragenden Klotz aus weichem Gestein gehauenen Höhlen dienten als Klöster, Einsiedlerzellen, Wohnräume, Speiseräume, Kirchen und Vorratskammern. Die Mönche der Östliche Kirche lebten oft in Familien, jedoch in einem isolierten Klosterdasein. Kappadokien bot sich in seiner abgeschiedenen Lage für ein mystisches, religiöses Leben geradezu an. Heute blicken wir in die offenen Höhlen der mühsam in den Tuff gehauenen Räume, denn die vorderen Bereiche sind der Verwitterung, teilweise auch Erdbeben zum Opfer gefallen. Oben auf dem Felsen thront ein mittelalterliches Kastell.

Ein besonders eindrucksvolle kurze Wanderung bescherte uns das Peristrema-Tal. Erst in den 50-er Jahren wurden die Höhlenkirchen hier erstmals wissenschaftlich erfasst; das gut 10 Kilometer lange Tal war bis dahin fast unbekannt. Über 400 Stufen stiegen wir in den von fast senkrechten Wänden eingeschlossenen Canyon hinab, von den gut 50 in die Felswände gegraben Kirchen erkletterten wir jedoch nur vier. Wanderer, die das ganze Tal mit Fremdenführern erarbeiten, erobern natürlich weit mehr. Endlich wieder oben angelangt – Respekt für unsere leicht gehbehinderten Damen – wurde uns im herrlich gelegenen Restaurant ein typisch türkisches Menü gereicht. Neben der ausgezeichnet schmeckenden Suppe beeindruckte uns aber der überaus freundliche und stets lächelnde Kellner, er wurde fast mit Adonis verglichen.

Bald erreichten wir dann die eintönige anatolische Hochfläche. Die Straße verläuft dort bis zum Horizont wie an der Schnur gezogen geradeaus. Auf den Feldern wird Weizen angebaut, auf den etwas kargeren Flächen weiden Schafe. Ab und zu sieht man ein Dorf, oft noch mit den typischen Flachdächern, die schon in der Steinzeit ganz ähnlich errichtet worden sind. Heute führen jedoch Stromleitungen zu den Häusern und oft entdeckt man auch Satellitenschüsseln neben den Häusern.

In regelmäßigen Abständen tauchten an dieser Strecke Karawansereien auf: zuerst einige stark verfallene, schließlich Sultan Hanı, die am besten restaurierte und größte Karawanserei in Anatolien. Doch wie ich schon bei meinem ersten Besuch hier im Jahr 1989 geschrieben habe, die gesamte Anlage ist zu einem sterilen Museum geworden. Aber dennoch, mich verbindet mit diesem Bauwerk mehr, in der angrenzenden Gaststätte haben wir schon damals gesessen und die beiden Söhne des damaligen Bürgermeisters hießen unsere Gruppe ebenfalls herzlich willkommen. Wir waren, wie es die türkische Gastfreundschaft gebietet, Gäste des Hauses. Nur mit großer Mühe konnte ich wenigstens „für das Personal„ einige Euro spenden. Vor dem Bild des inzwischen verstorbenen Vaters ließ ich mich mit den beiden Brüdern ablichten und werde es als Erinnerung auch nach dort schicken. Dem nächsten Besucher aus Hannover wird es sicher stolz vorgeführt.

Zum Abschied wurde uns noch ein guter Tipp mit auf den Weg gegeben. Nach 20 Kilometern sollten wir von der Straße abbiegen, um eine weitere Karawanserei zu besichtigen und auch den daneben liegenden Kratersee. Es war ein Insidertipp! Selbst unser beschlagener Reiseleiter kannte die Obruk Hanı nicht, und damit auch nicht den direkt hinter ihr liegenden See, der sich als kreisrunde Doline von gut 100 Metern Durchmesser und über 150 Metern Tiefe erwies. In der Abendsonne bot sich uns ein eindrucksvolles Bild. Die Karawanserei ist zwar stark eingefallen, der klassische Aufbau mit Tor, gedecktem und offenem Bereich und dem Mesced, dem Gebestraum, lassen sich deutlich erkennen. Eigenartig und faszinierend der kreisrunde See mit fast türkisfarbenem Wasser. Wir genossen die Stille und Harmonie dieses Kleinods.

Am letzten Besichtigungstag bewunderten wir die Kostbarkeiten der ehemaligen seldschukischen Hauptstadt Konya. Am Schnittpunkt uralter Karawanenrouten entstand hier schon früh eine bedeutende Siedlung; aber selbst vom römischen Iconium sind so gut wie keine Reste mehr zu finden. Erst die Seldschuken verhalfen Konya wieder zu großer Bedeutung. Auch wenn die Seldschuken schon nach kurzer Zeit erst von den Mongolen und später von den Osmanen besiegt wurden, bestand das Reich formal zumindest bis 1467 weiter, ehe Konya zur Hauptstadt der gleichnamigen Provinz degradiert wurde. Aber die herrlichen Bauten der Blütezeit sind heute noch zu bestaunen. Die kunstvoll gearbeiteten Ornamente und Kalligraphien, die zu den schönsten seldschukischen Steinmetzarbeiten der Türkei gehören, betrachteten wir an den prächtigen Eingängen der Büyük Karatay Medresi und der Ince Minare Medrese. Aber auch im Inneren der ehemaligen Moscheen gab es Reichtümer zu sehen. Das Fayencenmuseum und das Museum für die Steinmetzarbeiten sind hier untergebracht. In beiden Haupträumen konnten wir die unterschiedliche Form des Übergangs vom quadratischen Grundriss zur runden Kuppel erkennen, unser Reiseleiter war auch auf diesem Gebiet bestens bewandert.

Das Zentrum Konyas bildet der Burgberg, der heute zu einer grünen Parkanlage umgestaltet worden ist. Oben thront die Ala ed-Din Camii, oder auch Burgmoschee, die größte seldschukische Moschee in Konya. Der merkwürdige Grundriss mit der abgeknickten Hauptfront wurde uns damit erklärt, dass beim Baubeginn die Richtung nach Mekka falsch ausgerichtet war, erst bei der nächsten Bauphase hat man den Fehler behoben. Die große Halle mit einem Holzdach wird durch alte Säulen in sieben Gänge unterteilt. Bewundernswert ist der Mimbar, die Kanzel; die schon 1155 geschnitzte Ebenholzverkleidung stellt nicht nur das älteste beschriftete und datierte seldschukische Kunstwerk sondern wohl auch das schönste dar.

Das berühmteste Bauwerk Konyas ist jedoch die Mewlana Tekke, eine der heiligsten Stätten der Türkei. Hier liegt Mewlana Celal ed-Din Rumi, der Gründer des Derwischordens in einem Sarkophag bestattet. In tausenden Gedichten und auch Prosastücken legt er Zeugnis seiner Philosophie ab, die von tiefem Glauben gekennzeichnet ist. Einige Kostproben füge ich am Ende an.

In der kurzen Mittagspause besuchte ich das ganz in der Nähe gelegen Otel Tur, wo wir schon zweimal mit den Schülern übernachtet hatten. Der Hotelier konnte sich noch an die Gäste aus Hannover erinnern, auch mit ihm ließ ich mich ablichten. Dann im Geschwindschritt durch die Gassen von Konya, ein Kaufhaus, einige Basarstraßen und die überquellende Markthalle, zu weiteren Besichtigungen reichte die Zeit nicht mehr. Vor uns lagen noch gut 250 Kilometer bis nach Ankara.

Unterwegs stärkten wir uns in einem Schnellimbiss und dann war es endlich Zeit für ein Gruppenfoto. Der bereitwillige Kellner wurde mit etlichen Apparaten behängt und bediente sie alle brav. Ich bin gespannt, wer das schönste Foto zu bieten hat.

Die Abendstunden in Ankara nutzten wir noch für die letzten Einkäufe, die Millionen wurden gezählt, das Geld für das abendliche Bier und Rakı zur Seite gelegt und der Rest wurde in Rosinen, Nüssen, Tee oder anderen kleinen Erinnerungsstücken angelegt.

Da wir uns am nächsten Morgen schon um 5.00 Uhr am Flughafen einfinden mussten, war der Abend entgegen den sonstigen Gepflogenheiten recht kurz. Eine nette Begegnung hatte ich allerdings noch kurz nach unserer Ankunft im Hotel. Der Reiseleiter unserer letzten Türkeirundreise, Murat, holte unseren Başbuğ ab und ich konnte ein wenig mit ihm plaudern. Er begrüßte mich wie einen alten Freund mit dem orientalischen Bruderkuss, ich habe das als echte türkische Freundschaft empfunden.

Abschiednehmen ist fast immer mit Wehmut verbunden – endlich in Hannover angekommen verlief die Zeremonie dann doch schnell und ohne Tränen. Ich kann nur hoffen dass alle Teilnehmer ebenso begeistert wie ich von dieser Reise berichten werden.





Mewlana:

„Manieren bedeutet geduldig sein gegenüber Unverschämtheiten der Leute ohne Manieren„

„Gott hat die Engel geschaffen und hat ihnen den Verstand gegeben. Er hat die Tiere geschaffen und hat ihnen Triebe gegeben. Er hat die Menschen geschaffen und hat ihnen Verstand und Triebe gegeben. Derjenige, dessen Verstand seine Triebe überwiegt, ist erhabener als Engel. Derjenige, dessen Triebe überwiegen, ist tiefer als ein Tier.„

„Alle Dinge außer Gott bringen den Mensch langsam zum Tod.„


Erstaunlich, welche Weitsicht Mewlana schon im 13. Jahrhundert hatte:

„Was versteht ein Stier von der Stadt Bagdad?„